Fachwerk in Wolfenbüttel

 

Nebenstehend abgebildetes Kellerregal ist hervorragend dazu geeignet, ihnen vor Augen zu führen, dass wir nahezu alle schon ein Fachwerksystem zusammengebaut haben. Erinnern wir uns des wackelnden Holzrahmens, der völlig instabil ist, bis wir es endlich geschafft haben, das Metallkreuz anzuschrauben! Nichts anders ist es mit Fachwerkhäusern. Die nötigen Streben und Kopfbänder geben den Gebäuden auf einfache Art und Weise Stabilität über Jahrhunderte.
Gerade diese Fachwerkhäuser sind in Wolfenbüttel unser Schatz, den es zu hüten und zu bewahren gilt.
Veränderungen sind sicherlich hier und da unvermeidbar. Aber Veränderungen sollten sehr wohl bedacht sein. Gerade die Baubehörden zusammen mit der Denkmalbehörde haben es in der Hand, zu bewahren und ihren Bürgern und Ratsvertretern gute Vorschläge und Hilfen für einen behutsamen Umgang mit der überlieferten Gebäudesubstanz und für eine nachhaltige Stadtplanung zu unterbreiten.
Nach über 30 Jahren Stadtsanierung hat sich bereits eine Menge verändert.Im Vergleich zur 1978 erschienen Denkmaltopographie von Wolfenbüttel wird dies deutlich.
Wenn nun schon Veränderungen stattfinden müssen, dann möchten wir sie der Nachwelt zumindest als Spur einer Erinnerung hinterlassen. Mit diesen Spuren können auch nach mehr als 100 Jahren Gebäude wieder aufleben. Fachwerkgebäude wie die Bibliotheksrotunde oder Fachwerkschlösser wie Salzdahlum entstehen als Modell oder sogar virtuell am Bildschirm eines Computers. Geben wir mit unserer Idee der Spurensicherung den zukünftigen Generationen die Chance, Ähnliches mit den kleinen Buden der Krummen Straße oder mit den Bürgerhäusern in Wolfenbüttel zu tun. Oder mit den ganz "unbedeutenden" Gebäuden, wie der "Volkskaffehalle", die nun zumindest - ebenso wie das "Tanzmeisterhaus" - bei vielen eine Erinnerung hervorrufen wird.
Die aktuelle Spurensuche 5, die der Start für ein großes Projekt in den nächsten Jahren werden kann und soll. Der Arbeitskreis Fachwerk innerhalb der Aktionsgemeinschaft Altstadt Wolfenbüttel e.V. möchte den gesamten Fachwerkbestand der Stadt aufnehmen. Die 78er Denkmaltopographie soll fortgeschrieben werden. Das vorliegende Heft gibt Ihnen einen Einblick in die Methodik, mit der der Arbeitskreis die systematische Durchführung dieser Aufnahme begonnen hat.
Erst wollten wir abwarten und die Spurensuche im Jahr 2006 aussetzen. Dass wir nun doch einen Grundkurs in Fachwerktechnik vorfinden und dass uns obendrein eine erste Auswahl Wolfenbütteler Gebäude detailliert in diesem Heft begegnet, verdanken wir ganz besonders den drei Hauptakteuren, Bärbel Ontrop-Monsees, Axel Toepfer und Peter Weselmann. Ihnen an dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön für Ihr Engagement. Des weiteren danken wir Sonja Michaels für ihren Beitrag zur Volkskaffeehalle.
Und sollte es einmal einen Wolfenbütteler Bahnhof als Bausatz für die Modelleisenbahn geben, darf es dieses Modell nur mit der Volkskaffeehalle zusammen geben. Ich wünsche mir, dass wir Ihnen die Faszination Fachwerk ein wenig näher bringen können und vielleicht gehen Sie ja nach dem Lesen der Lektüre selber auf Tour und entdecken Wolfenbütteler Details. In dem Fall begleiten Sie doch uns und unseren Fachwerkkreis.
Andreas Stamer

Andreas Stamer

Vorwort der Autoren zur Entstehung des Heftes

Die Fachwerkbauweise ist Zeit ihres Bestehens umstritten. So weist Vitruv - ein Architekt und Baumeister Caesars und Augustus´- in seinen nahezu als flammend zu wertenden nebenste-hend abgedruckte Aus-führungen auf die un-bestreitbaren Nachteile dieser Bauweise hin. Insbesondere unter Berücksichtigung der im Mittelmeerraum leicht brennbaren harzreichen Hölzer ist die Sorge des „Herrn Vitruv“ nur zu verständlich. Auch seine Ausführungen zum Schwinden von Holz und den an den Materialübergängen nahezu zwangläufig auftretenden Rissbildungen sind unter Einbeziehung des Entwicklungsstandes der Bauweise und der zur Verfügung stehenden Materialien absolut nachvollziehbar. Und auch mit seinem Hinweis auf die Vergänglichkeit der Werkstoffes Holz hat er Recht. Sein Widerwillen bei der nachfolgenden „Bauanleitung“ für unumgängliche Fachwerkbauten ist deutlich zu spüren. Dennoch hat sich die Fachwerkbauweise - zumindest in unseren Breiten - über Jahrhunderte als Standardbauweise - und zwar in einer Art, die der von Vitruv beschriebenen recht ähnlich ist - etabliert. Auch hierfür erwähnt der „römische Schriftsteller“ und Baumeister einige Gründe. Neben der Tatsache, dass Fachwerk verhältnismäßig einfach und schnell zu akzeptablen Bauwerken führt, nennt er die Preiswürdigkeit dieser Bauweise. Hinzu kamen sicherlich Faktoren wie Materialverfügbarkeit und fortschreitendes Wissen um zu verwendendes Material sowie weiterentwickelte Fertigkeiten in der Holzbe- und verarbeitung. Die weite Verbreitung der Fachwerkbauweise hat aber sicherlich auch mit ihrer Flexibilität zu tun, die Anpassungen an geänderte Bedürfnisse relativ leicht macht. Und nicht zuletzt ist es die Wohnqualität - die Atmosphäre, die einem solchen Gebäude innewohnt, bzw. die es ausstrahlt. Nebenstehend zitierte nahezu euphorischen Ausführungen des Bischofs von Poitiers mögen hierfür Beleg sein.
Seine Attraktivität und auch einen Teil seiner Lebensqualität bezieht Wolfenbüttel aus seinem überwiegend aus der Renaissance überlieferten und Gott sei Dank durch den zweiten Weltkrieg kaum zerstörten Fachwerkhausbestand. Ein Kapital, dass es zu erhalten und zu pflegen gilt.
„Erworbenes erhalten“ ist der von Herzog Julius entlehnte Wahlspruch der Aktionsgemeinschaft Um etwas erhalten zu können, ist Wissen erforderlich - Wissen um das Was, das Wie und das Warum. Erhaltung von Bauwerken kann aber nicht nur die originalgetreue Rekonstruktion zerstörter Bauteile bedeuten, denn ohne eine Anpassung an die Erfordernisse der Gegenwart mutieren die Kleinodien zu leblosen Ausstellungsstücken ohne Nutzwert. Ein Haus jedoch, dass nicht mehr bewohnt bzw. bewirtschaftet wird, verliert seine Seele und ist über Kurz oder Lang dem Verfall preisgegeben. Nur wenn ein Gebäude (s)eine Funktion behält, wenn es behutsam und um das Überlieferte wissend an die Erfordernisse für Gegenwart und Zukunft angepasst wird, ohne dabei Erhaltenswertes zu zerstören, nur dann wird es weiter seine Bedeutung in dem „Gesamtkunstwerk“ Altstadt Wolfenbüttel behalten können.
Im Jahre 1978 hat es eine umfassende Bestandsaufnahme des Wolfenbütteler Fachwerkhausbestandes unter Federführung der Denkmalbehörde gegeben. Seit dieser Zeit sind mannigfaltige Veränderungen an einzelnen Gebäuden, aber auch im Bestand vorgenommen worden. Von aufwändigen Restaurierungen mit Rückbau von Bausünden, über nutzungsbedingte An- und Umbauten bis hin zu Abriss und ggf. Ersatz hat alles stattgefunden. Dadurch ergibt sich ein deutlich verändertes Bild. Auch weist die seinerzeitige Aufnahme im Bereich der bildlichen Dokumentation erkennbare Lücken auf. Daher ist es sinnvoll, ausgehend von der 78er Aufnahme, den Bestand erneut zu dokumentieren und so das Wissen festzuhalten und für zukünftige Aufgaben verfügbar zu machen. Diese Aufgabe hat die Arbeitsgruppe Fachwerk der Aktionsgemeinschaft Altstadt Wolfenbüttel e.V. übernommen.
Seit 2005 sind nach intensiver Vorarbeit insbesondere die Protagonisten der Gruppe, Bärbel Ontrop-Monsees und Axel Toepfer, in ihrer nicht immer üppigen Freizeit mit Stift, Block und Kamera unterwegs, um die Aufgabe, die einem Sisyphus durchaus zur Ehre gereichte, zu bewältigen. Etliche Aufnahmeprotokolle und digitale Fotos sind entstanden und werden zukünftig weiter gesammelt. Ein signifikanter Auszug der Arbeit wird Ihnen mit diesem Heft vorgestellt. Diesem vorangestellt wurden verschiedene „Basisinformationen“. So ist es hoffentlich auch unkundigen Lesern möglich, die Informationen nachzuvollziehen. Wenn es zudem gelingt, Sie als geneigten Leser ein wenig für das Thema Fachwerk in Wolfenbüttel zu interessieren und zu sensibilisieren, sind wir glücklich.
Nun wäre es mit Sicherheit wenig effektiv, wenn wir diese große Datenerhebung durchführten, um sie dann in Aktenschränken und / oder in digitalen Archiven verstauben zu lassen. Vielmehr ist es unseres Erachtens sinnvoll und wichtig, den Datenbestand in absehbarer Zeit öffentlich verfügbar zu machen. Nach aktuellem Stand der Diskussion soll dies auf zwei unterschiedlichen Wegen erfolgen. Einerseits wird es voraussichtlich in loser Reihenfolge „Steckbriefe“ als gedruckte Werke zu Gebäuden oder Gebäudegruppen geben. Andererseits ist beabsichtigt, die Daten elektronisch aufzubereiten und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dazu soll im Rahmen der Internetpräsenz des Vereins www.altstadt-wf.de ein Datenbank gestütztes Recherchesystem eingerichtet werden.
Wenn auch die meisten Arbeiten ehrenamtlich erbracht werden, so sind gewisse Kosten unvermeidlich und sie sind durch die Aktionsgemeinschaft aus den Mitgliedsbeiträgen nur schwer zu erbringen. Daher danken wir Ihnen, dass Sie mit dem Erwerb dieser Ausgabe der Spurensuche die Arbeit des Vereins unterstützen.
Abschließend möchten wir noch auf neben-stehenden Ausschnitt ei-nes Lehrbuches für an-gehende Maurer aus dem Jahre 1945 verwei-sen. Hier wird unserer Meinung nach treffend ein weiteres Anliegen des Vereins und dieses Heftes formuliert. Wenn innerhalb eines histori-schen Hausbestandes neu gebaut werden muss, dann bitte nicht historisierend. Entweder klassisch und konstruk-tiv der umstehenden Bauweise angepasst oder aber wirklich neu und in den Altbestand harmonisch eingeglie-dert. Paläste aus Glas und Stahl oder schlichte Putzbauten - mögen sie für sich auch noch so gelungen sein - passen nur in den seltensten Fällen in ein historisches Fachwerk-Stadtbild.

Weitere Informationen zu diesem Heft:

Titel: Spurensuche Heft 5 (2006)
Fachwerk in Wolfenbüttel
Einblicke in eine Bestandsaufnahme
Autoren: Arbeitskreis Fachwerk
Herausgeber: Aktionsgemeinschaft Altstadt Wolfenbüttel e.V.
Kleiner Zimmerhof 4, 38300 Wolfenbüttel
1. Auflage: 1000
Layout/Druck: MEDIA-AFFAIRS
Holzmarkt 2, 38300 Wolfenbüttel

Das Heft können Sie erwerben bei:
 - Ag Altstadt WF: info@altstadt-wf.de
 - Bücher Behr, Kornmarkt 4/5, 38300 Wolfenbüttel